Ich hatte mir irgend wann einmal vorgenommen, Kunst im öffentlichen Raum – speziell in Solingen – mit meiner Kamera zu dokumentieren. Dazu hatte ich im Jahre 2008 das folgende Foto gemacht:
Es zeigt bunt bemalte Metallkörper, die drehbar aufgestellt sind. Generation von Schülern der städtischen Gemeinschaftsgrundschule Uhlandstraße durften sich seit 1975 an diesem Kunstwerk austoben.
Die Tage erfuhr ich durch Zufall, dass die Plastik im Sommer 2011 von der Stadt abmontiert wurde. Angeblich, weil sie im Bereich des Schulhofes eine Gefahr für die Kinder darstellte und sie mit den EU-Richtlinien Skulpturen auf öffentlichen Spielbereichen nicht in Einklang zu bringen war. Zitat wikipedia: Die DIN EN 1176 bestimmt beispielsweise: Bis zu einer Fallhöhe von 0,60 ergeben sich keine Anforderungen an den Fallraum, er ist jedoch frei von Hindernissen und Gegenständen zu halten. Für Fallhöhen von 0,60 cm bis 1,50 m muss der Fallraum 1,50 Meter breit sein und der Untergrund im Fallraum muss aus Rasen bestehen. Ab einer Fallhöhe von 1,50 Meter ist geeigneter Sand, Feinkies oder Rindenmulch in ausreichender Schichtdicke (mindestens 20 cm) erforderlich
Ein prikelndes Detail an dieser Entfernung ist, dass der Künstler, der dieses Werk entworfen hat, der Solinger Henryk Dywan, bis gestern nichts davon wusste, dass die Stadt sich an seinem Werk vergriffen hat. OK, als Eigentümerin durfte sie es entsorgen. Nur bei einer Veränderung hätte man den Urheber befragen müssen.
Hier noch so ein paar Spielgeräte, die der DIN EN 1176 in Solingen zum Opfer gefallen sind:
Ich bin gespannt, wann mich die ersten bitterböse E-Mails besorgter Elternteile erreichen, in der man mir vorwirft, ich hätte gut reden, da mir der Nachwuchs fehle. Nur zu Erinnerung, ich bin selber Nachwuchs.
Wann kommt endlich die Rundumsorglosgesellschaft? Bald! Wir arbeiten daran. Schärfere Hygiene-Regeln für Tagesmütter: Mayonnaise und Tiramisu verboten (RP ONLINE, 04.01.2012)
Glaubt man der lokalen Presse: Solingen: Polizei-Wandbild nicht mehr zu retten (RP ONLINE, 22.02.2011)
Vor meinem geistigen Auge sah ich ihn schon mit Sack- und Schubkarre die bemalten Betonblöcke in Richtung Rathaus transportieren. Dem ist aber nicht so. Helfer hätte er bestimmt gefunden.
"Die Würde des Menschen ist unantastbar" wird entsorgt; irgendwie passend zur Zeit.
Wenn der Bagger knabbert ... was für ein Motiv!
Apropos Würde; was sagt Meyers Konversationslexikon, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892 dazu?
wenn man die Kunst am Bau bis zum Abriss verbergen kann.
Südfassade des Finanzamtsgebäudes, das derzeit abgebrochen wird.
Und so sah das Treppenhaus in Richtung Osten aus:
Nicht zu vergessen der Brunnen von Henryk Dywan und die Platanen aus dem Hause Natur.
Ups, da hätte ich doch glatt das Czimatis-Denkmal, bestehend aus zwei ineinander verschränkten Schleifsteinen, vergessen, das vor dem Eingang des Gebäudes seit rund 50 Jahren sein Dasein fristet. Die grüne Moospatina ist gut zu erkennen. Das Denkmal für den Gewerbeinspektor Dr. Ludwig Czimatis wurde am 1. Juli 1961 vor dem damaligen Sitz des Gewerbeaufsichtamtes enthüllt.
Und wer hat's erfunden? Nein, keiner der üblichen Verdächtigen. Es war der deutsche Maler, Plastiker und Grafiker Ernst Oberhoff (* 24. Juli 1906 in Großsporkert/Ronsdorf heute zu Wuppertal; † 7. April 1980 in Wuppertal); nicht zu verwechseln mit dem Solinger Hans Oberhoff.
Passend gab es heute im Solinger Intelligenzblatt einen Artikel unter der Rubrik "Rückbklick" dazu: Mangel ab Hygiene und Schutz - Vor 150 Jahren wurde Ludwig Czimatis geboren. Er engagierte sich für Gesundheit.
http://www.tetti.de/SOLINGEN/UNTENFRIEDRICHSTALERKOTTEN/hendrichs.html
Czimatis-Denkmal am Finanzamt wird bleiben (Solinger Tageblatt, 28.07.2010 09:38)
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