Glaubt man der lokalen Presse: Solingen: Polizei-Wandbild nicht mehr zu retten (RP ONLINE, 22.02.2011)
Vor meinem geistigen Auge sah ich ihn schon mit Sack- und Schubkarre die bemalten Betonblöcke in Richtung Rathaus transportieren. Dem ist aber nicht so. Helfer hätte er bestimmt gefunden.
Wandbild am alten Polizeigebäude
"Die Würde des Menschen ist unantastbar" wird entsorgt; irgendwie passend zur Zeit.
Wenn der Bagger knabbert ... was für ein Motiv!
Apropos Würde; was sagt Meyers Konversationslexikon, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892 dazu?
Würde, Erhabenheit der Bewegung, im Gegensatz zur Anmut (s. d.). Beide kommen darin überein, daß sie Eigenschaften der Bewegung sind, aber die Anmut eines (der That und dem Anschein nach leicht) Beweglichen, die Würde dagegen eines (nicht der That, aber dem Anschein nach) Unbeweglichen. Jenes erfordert, um in Bewegung zu geraten, nur geringe, dieses dagegen, je unbeweglicher es scheint, eine desto größere Kraft, die entweder außer- oder innerhalb des Bewegten liegt. Liegt sie außerhalb, so erscheint die Bewegung zwar, je unbeweglicher das Bewegte ist, desto plumper und schwerfälliger, aber weder erhaben noch würdevoll. Liegt sie dagegen innerhalb, so erscheint das sich selbst Bewegende, je unbeweglicher es jedem andern gegenüber erschien, desto erhabener über alles andre, und diese seine Erhabenheit, in seiner Bewegung sich widerspiegelnd, erteilt letzterer Würde. In diesem Sinn kommt der Bewegung eines Gottes als »unbewegten Bewegers« (Aristoteles), eines Helden als »unentwegten« Charakters, eines Herrschers als »souveränen« Willens, aber auch jedes seiner Freiheit und Selbstbestimmung bewußten Menschen Würde zu und erscheint diese selbst als »Ausdruck der Geistesfreiheit« (Schiller). Das Erscheinungsgebiet der Würde als Bewegung des (scheinbar wenigstens) Unbeweglichen ist der Raum, wie jenes der Anmut die Zeit, weil jenes seinen Ort durch Verzögerung der Bewegung möglichst zu behaupten, das Bewegliche dagegen den seinen durch Beschleunigung der Bewegung möglichst rasch zu verändern sucht. Daher entspricht der Würde die langsame Bewegung: der gemessene Schritt, das abgewogene Sprechen und Betragen. Geht die sich ihrer Stärke nach selbst bewegende Kraft (der autonome Wille) in moralische Kraft (sittlicher Wille), die auch dem Wert nach erhaben ist, so geht die Bewegung als Ausdruck der Freiheit (geistige Würde) in jenen der Sittlichkeit (sittliche Würde) über. Jene flößt uns Ehrfurcht, diese Verehrung ein. Löst dagegen dem Anschein nach sich selbst bewegende Kraft (autonomen Wollens) in bloßen Schein (der scheinbar freie in einen »dienenden« Willen) sich auf, so schwindet der Schein der Erhabenheit und damit die Würde Dieselbe ist daher allerdings mit dem »Amt« (das ebendeshalb auch »Würde« wie das durch dasselbe bedingte »würdevolle« Betragen »Würde« heißt) als einem Ausfluß eines souveränen Willens, keineswegs aber mit der Person seines jeweiligen Trägers verbunden und die Behauptung derselben außerhalb des Amtes Anmaßung und Lächerlichkeit. Der Eindruck der Würde ist, der Erhabenheit der Bewegung entsprechend, kein niederschlagender, sondern durch das in uns erweckte Bewußtsein unsrer eignen Freiheit und Selbstbestimmung ein erhebender. Das männliche Geschlecht, dessen geistige Anlage mehr zur Entwickelung eines selbstbewußten Willens, dessen organischer Körperbau mehr für erhabene als schöne Bewegung geeignet ist, erscheint darum vorzugsweise als Träger der Würde
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from dieolsenban.de on 22. Februar 2011 - 17:18
Ich wollte noch über den Abbruch des alten Polizeigebäudes an der Goerdelerstraße bloggen. Vor allem darüber wie traurig es ist, dass die Kunst am Gebäude (ein Wandbild mit dem Titel “Die Würde des Menschen ist unantastbar”) nicht erhalten ...
Kommentare
Wandbild
Ich weigere mich nach wie vor zu glauben, dass das Kunstwerk nicht zu erhalten gewesen wäre.
Die Farbe scheint auf Betonplatten aufgebracht worden zu sein, die auf irgend eine Weise mit dem Korpus des Gebäudes verbunden wurden. Das wäre bestimmt reversibel gewesen.
Im o.g. Artikel des Käseblatts wird der Leiter des Solinger Kulturbüros mit den Worten: "Allerdings haben Wandbilder immer dieses Schicksal, weil sie ja mit dem jeweiligen Gebäude verbunden sind." zitiert.
Blödsinn.
Es gibt da diverse "Wandbilder", die den Fall einer ziemlich bekannten Wand im Osten Deutschlands nahezu unbeschadet überstanden haben. Man hat die Betonelemente einfach getrennt und wo anders wieder zusammen gesetzt.
"Banksy"s Kunstwerke werden mittlerweile mittels Schweißbrenner und Betonsäge aus der jeweiligen Wand herausgeflext um sie verkaufen oder ausstellen zu können.
Soviel zum Thema "unabwendbares Schicksal".
Unvollständiges Zitat
Vermutlich hat man vergessen zu erwähnen, dass dies in Solingen unausweichlich ist.
Aber stelle Dir bitte vor, was passiert wäre, hätte oder würde man diese Betonteile abmontiert. Ich höre schon das Geschrei: "Gibt es nichts wichtigeres ?!" oder "Für so einen Mist hat man im Rathaus Geld!" - Im Rathaus nicht, aber das Land NRW;-)
Da wird hier schon dies Debatte aufmachen: Wie mag der Stand der Dinge sein beim Thema Klingenschmieddenkmal und dem Ich spende und suche noch Geldgeber Rathauskunstwerk? Vermutlich traut sich keiner an diese heiklen Themen ran.
Die Würde des Menschen
Der letzte 1981 erschienene Meyers, Mannheim/Zürich/Wien lässt die philosophische Betrachtung des Begriffs etwas vermissen:
"Menschenwürde, der nach Art. 1 GG für unantastbar erklärte Bereich, der dem Menschen als Person zusteht, diesen als Träger höchster geistig-sittl. Werte und wegen seiner Fähigkeit zu eigenverantwortl. Selbstbestimmung respektiert und eine verächtl. Behandlung seitens des Staates ausschließt. Dieser Verfassungsschutz der M. ist unabänderlich und wegen Art. 79 Abs. 3 GG auch einer Verfassungsänderung entzogen. Der Staat ist nicht nur selbst gehindert, die M. durch erniedrigende, menschenverachtende Maßnahmen (z. B. Versklavung Folterung, Eingabe von Wahrheitsdrogen) anzustasten, sondern muß auch in der Ausgestaltung seiner Rechtsordnung Angriffe auf die M. durch Dritte für unzulässig erklären und notfalls ahnden. Ebenso findet die Weisungsgebundenheit (und damit die Freiheit von eigener Verantwortung) von Amtsträgern (Beamte, Soldaten) bei Befolgung von Anordnungen und Richtlinien ihre Grenze, wenn das aufgetragene Verhalten die M. verletzt. Die Verweigerung eines Befehls oder die Verleitung zum Ungehorsam sind nicht strafbar, wenn die Befolgung des Befehls die M. verletzen würde."
Und zu Hans Knopper (aus RP s.o.): "Wenn allerdings ein Sponsor käme und eine Startsumme zur Verfügung stellte, würde ich ein neues Bild organisieren", verspricht Hans Knopper. Die Startsumme sei nötig, um einen Förderantrag beim Land stellen zu können. Denn die Selbstbeteiligung einer Kommune ist immer Voraussetzung für einen Landeszuschuss. "Ich habe zwar noch keine andere Wand, aber die würde sich sicherlich finden."
Also her mit dem Sponsor, wer macht mit?
Sponsoren
Das funktioniert nicht!
Wenn die Stadt einen Landeszuschuss beantragt, so muss sie versichern, dass der Eigenanteil aus ihrer Schatulle kommt; ansonsten kann es passieren, dass die Stadt des Landesanteil zurückzahlen muss.
Und Herr Knopper redet von einem neuen Bild.
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